Sonntag, 17. Juli 2011

Private Zeitreise

"Jahrtausendturm" in Magdeburg (© Erik Nagel)
Ich war gestern mal wieder in Magdeburg bei meinen Eltern zu Besuch. Und ich nutzte die Gelegenheit, wieder einmal dorthin zu gehen, wo Magdeburg für mich am schönsten ist: Den Elbauenpark. Das Gelände, das 1999 die Bundesgartenschau in Magdeburg beherbergte, kenne ich schon seit vielen Jahren, als es noch die russische Garnison Magdeburgs beherbergte. Von daher war und ist es für mich immer wieder sowieso sehr faszinierend zu sehen, was für ein wundervoller Park daraus geworden ist. Ich fühle mich dort einfach wohl, und ich finde immer noch viele Gestaltungselemente in dem Park einfach Klasse. Zum Beispiel die Themengärten. Am schönsten sind die so genannten "Paradiesischen Gärten", aus mehreren Gründen. Erst einmal befinden sie sich an einer der hintersten Ecken des Parks und sind damit in der Regel selten besucht. Zu Unrecht: Dieser Garten ist so schön angelegt, ruhig, friedfertig und irgendwie auch fantastisch, dass ich dort immer wieder auch innerlich zur Ruhe komme. Eine einfach wunderschöne Attraktion. Gestern war ich aber nicht dort (leider), denn ich hatte mir vorgenommen, mich wieder einmal im "Jahrtausendturm" herum zu treiben. Den besuche ich zwar auch jedes Mal, wenn ich im Park bin, aber er gehört immer noch zu den fantastischsten Attraktionen dort. Und wie jedes Mal habe ich auch dieses Mal den Besuch genossen.

Ich kann nun schlecht beurteilen, wie der pädagogische Effekt dort ist. Manches wird sicherlich gut funktionieren, bei anderen Sachen habe ich meine Zweifel. Aber der Besuch macht mir immer Spaß, und die Art, wie dort, wie es in den Prospekten heißt, "6000 Jahre Menschheitsgeschichte" demonstriert wird, hat schon etwas.

Die große Halle im Turm (© Erik Nagel)
Von außen ist der Turm ja schon beeindruckend - von innen scheint er ja noch größer zu sein. Direkt beim Reingehen betritt man eine geradezu riesige Halle, die die gesamte Basis ausfüllt. Der Blick fällt direkt auf einen nachgebildeten römischen Tempel, linkerhand nimmt ein riesiges Bild ägyptischer Pyramiden den Blick gefangen, rechts ist eine Art Ausschnitt aus einer römischen Straße zu sehen.

Abteilung Urmensch (© Erik Nagel)
Idealerweise folgt man dem geplanten Weg, und der führt als erstes in eine Grube zu den Anfängen der Menschheit. Es spricht nach meiner Meinung für die Planer der Ausstellung, dass sie nicht mit schlecht nachgebauten Urmenschen-Modellen aufwarten, sondern lediglich Exponate für sich sprechen lassen. So findet man in dieser Grube einen Abdruck der vermutlich ältesten versteinerten Fußspuren, die uns die ersten aufrecht gehenden Menschen hinterlassen haben. Ein Mammut-Skelett, Faustkeil, Speer, erste Tonarbeiten und andere Dinge mehr lassen vermuten, wie das Leben unserer Vorfahren war. Per Knopfdruck lassen sich auch Höhlenmalereien auf die Wände zaubern. Interessant ist auch, dass sich dieser Teil der Ausstellung in einer Grube befindet. Das erweckt einerseits den Eindruck, sich tatsächlich in einer Ausgrabungsstätte zu befinden, andererseits ist symbolisch tatsächlich ein Abstieg in die früheste Menschheitsgeschichte.

Babylon in einem tollen Modell (© Erik Nagel)




Verlässt man die Grube, gelangt man zu den frühesten Kulturen der Menschheit. Zum Beispiel (siehe Foto) Babylon. Auf dem Bild ist das schlecht zu erkennen, aber dieses Modell ist erstens richtig groß, ungefähr fünf Meter breit, und zweitens mit einer geschickten optischen Täuschung gestaltet. Es ist nämlich verzerrt aufgebaut, und wenn man an der richtigen Stelle steht, erscheint es noch viel größer als es wirklich ist. Übrigens: Der Turm, der vorne fast in der Mitte zu sehen ist, ist der berühmte Turm zu Babel... Das Modell ist aber nicht das einzige: Nachbildungen von Grenzsteinen und anderen Exponaten machen diese Epoche wieder lebendig - wenigstens ein wenig.

Ein römischer Hausgarten. (© Erik Nagel)
Leider ohne Bild: Gleich danach geht es wieder in die Tiefe, und zwar in eine ägyptische Grabkammer. Fast stockdunkel ist es dort, und mit geschickt angebrachten Spiegeln wird ein fantastischer und authentischer Eindruck erzeugt. Ein Foto würde diesen Effekt zerstören, daher ohne... Danach sind die alten Griechen dran, und hier kann man richtig experimentieren! Der Satz des Pythagoras zum Beispiel, den kann man dort auf verschieden Art und Weise auf Richtigkeit überprüfen, und mit Papier und Stift und Rechnen hat keine davon zu tun! Auch die ersten Anwendungen von Dampf - etwa zum Öffnen von Tempeltüren - kann dort sehen. Wasser pumpen mit einem Laufrad geht auch, und das macht Kinder natürlich Spaß. Dass sie dort auch sehen können, wie ein römisches öffentliches Klo aussah, kommt noch dazu. Im Nachbau eines römischen Hauses kann Papa derweil eine römische Fußbodenheizung begutachten, während Mama einen Hausgarten betrachten kann.

Das Foucaultsche Pendel (© Erik Nagel)
Übrigens hat diese große Halle noch eine besondere Attraktion, die zwar mit der Antike eigentlich nichts zu tun hat, aber woanders ist eben einfach kein Platz: Ein funktionierendes Foucaultsches Pendel. Eine gewaltige Metallkugel, die langsam vor sich hin pendelt und sich dabei entsprechend der Erdrotation um sich selber dreht. Dass das auch stimmt, können Besucher an kleinen Metallstiften erkennen, die nach und nach von dem Pendelgewicht umgestoßen werden. Also wenn man Physik so erklärt, macht sie richtig Spaß - und davon gibt es um Turm noch einiges zu sehen.

Über Treppen gelangt man dann in die oberen Etagen, und nach und nach geht es auch in der Zeitachse gewissermaßen aufwärts. Über das Mittelalter mit den ersten Entdeckungen und Erfindungen der modernen Wissenschaften, aber auch den Rückschlägen. Glücklicherweise ist auf dem nachgebauten Scheiterhaufen keine Hexe oder ein anderer Unglücklicher zu sehen, der dort sein Leben aushauchen muss - nicht weit davon ist aber auch das Laboratorium zu sehen, in dem ein solcher Forscher gearbeitet haben kann. Wie es sich für Magdeburg natürlich gehört, nimmt das "Vakuum" im übertragenen Sinne einen großen Raum ein. Mit vielen Experimenten kann man zum Beispiel Guerickes Halbkugelversuche einer Überprüfung unterziehen. Und wenn dir der Lehrer erzählt, dass im Vakuum eine Feder genau so schnell herunterfällt wie eine Metallkugel, dann klingt das ja toll, aber vielleicht nicht ganz glaubwürdig. Hier wird es gezeigt, dass es wirklich so ist.

Vom Innersten zum Äußersten (© Erik Nagel)
Je weiter man nach oben kommt, um so moderner wird die Welt und um so interessanter die Experimente. Die Planer haben sich dafür aber auch einiges einfallen lassen. Es gibt da zum Beispiel - ich habe davon leider auch kein Foto - einen tollen Raum, in dem mit perspektivischen Verzerrungen gearbeitet wird. An anderer Stelle wird ein Magnetfeld auf beeindruckende Weise gezeigt. Ein starker Magnet hängt frei beweglich mitten in der Luft in einem großen Glaswürfel - und um ihn herum befinden sich hunderte Kompassnadeln, ebenfalls frei beweglich. Und je nachdem wie der Magnet gedreht wird, drehen sich auch die Nadeln wie von Geisterhand. Man kann Strom in einem Dynamo erzeugen oder indem man einen Leiter im Magnetfeld bewegt. Man kann mit seiner Begleitung quer durch einen Raum reden und braucht dabei nur zwei Satellitenschüsseln. Man sieht ein Perpetuum Mobile und kann es ausprobieren - bzw. man kann sehen, dass es nicht funktioniert. Nicht sehr spannend, aber für mich zumindest sehr interessant ist auch ein Periodensystem der Elemente, das dort gezeigt wird. Und zwar, weil die Elemente dort eben auch zu sehen sind - mit Ausnahme derjenigen, die gefährlich sind (weißen Phosphor gibt es also ebensowenig wie Uran...). Aber trotzdem: Ich finde, das muss man mal gesehen haben.

Das Periodensystem zum Anschauen (© Erik Nagel)

Es gibt zum Schluss noch einen Ausblick auf künftige Entwicklungen und Möglichkeiten der Wissenschaft. Dazu gehört dann auch noch ein schönes Anschauungsobjekt: Auf nebeneinander stehenden Fotos sind Größenverhältnisse zu sehen. In Zehnerschritten geht es von den kleinsten Strukturen wie einzelnen Atomen bis hin zu den gewaltigen Entfernungen im Universum. Schön anzusehen... Und schön anzusehen ist auch der Blick über Magdeburg von der Spitze des Jahrtausendturms aus. Und der reicht weit, denn immerhin ist dieser Turm die größte Holzkonstruktion Deutschlands und vielleicht sogar Europas und der Welt. Und allein das ist schon was Besonderes...

Und nachdem das alles geschafft ist - dann kann man sich wieder auf den weiten Weg nach unten machen. Unten angekommen ist dann endlich Zeit für ein kühles Getränk, denn gestern war es wieder sehr warm. Und bei mir ist es so: Wenn ich dann unten bin, dann habe ich schon wieder Lust hineinzugehen. Nun, nächstes Jahr bestimmt...

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