Montag, 1. Oktober 2012

Toter Lachs im MRT

Der IG-Nobelpreis 2012 (© AP)
Achtung, den Anfang muss man vermutlich zwei Mal lesen, aber ich habe mich weder verschrieben noch geirrt oder Blödsinn gemacht, diese Geschichte stimmt, und alle Worte kommen in genau der richtigen Anzahl vor. Also: Im Mai 2012 veröffentlichte das U.S. Government General Accountability Office, eine Einrichtung des US-amerikanischen Kongresses, die diesem helfen soll, ökonomischer bzw. effizienter zu arbeiten, einen - Obacht - "Bericht über Berichte über Berichte". Am Ende kommen die Verfasser zu einer Empfehlung, die da lautet, einen Bericht über den "Bericht über Berichte über Berichte" vorzubereiten... Wenn das ökonomisch bzw. effizient sein soll, dann will ich gar nicht mehr wissen, wie es sonst aussieht.

Und damit sind wir mal wieder bei meinem Lieblingspreis aus der Welt der Wissenschaft, dem IG-Nobelpreis, der vor gut zehn Tagen wieder einmal vergeben wurde. Über den Preis habe ich vor einem knappen Jahr hier schon einmal geschrieben. Und er fasziniert mich nach wie vor. Wieder einmal hatten die Verleiher die Welt der lustigen Wissenschaft eingeladen, wieder einmal überschütteten die Zuschauer die Preisträger mit ihren Papierfliegern, wieder einmal fegte Roy Glauber als Besenmeister ("Keeper of the Broom", außerdem Nobelpreisträger 2005) die Bühne von den Papierfliegern frei - und wieder einmal wurden unnütze, unwichtige oder skurrile wissenschaftliche Arbeiten geehrt, die nicht selten nach dem Lachen zum Nachdenken führen.

Nun, 2012 war ein Jahr, in dem es meist um das Lachen ging. So wie bei den amerikanischen Wissenschaftlern, die das Gleichgewicht der Kräfte berechneten, die Form und Bewegung eines menschlichen Pferdeschwanzes bestimmen. Oder die Erfindung von japanischen Akustikern, die eine Maschine namens "Speechjammer" erfanden und die Menschen zum Schweigen bringt, indem sie ihnen das eigene gesprochene Wort mit geringer Verzögerung vorspielt. Niederländische Psychologen wurden für eine neurologische Studie ausgezeichnet, die durchaus wichtig ist, deren Ergebnis aber in folgendem Satz zusammengefasst werden kann: "Der Eiffelturm sieht kleiner aus, wenn man sich nach links lehnt." Außerdem gab es Physiker, die genau erforschten, was passiert, wenn man mit einer vollen Kaffeetasse herumläuft (sie schwappt nämlich über!), sowie Biologen, die entdeckten, dass sich Schimpansen auch am Hintern erkennen.

Das sind alles Sachen, über die man zuallererst schmunzeln oder herzhaft lachen kann. Es steckt aber - und das finde ich am IG-Nobelpreis so faszinierend - oft eine sehr ernsthafte Sache dahinter. Am besten beweist das der Preis, der im Bereich Neurowissenschaften vergeben wurde. Die Geschichte ist wirklich unglaublich: Der kalifornische Neuropsychologe Craig Bennett steckte einmal ein sehr ungewöhnliches Objekt in ein Kernspintomografen (MRT) - einen toten Lachs. Dem zeigte er Bilder von Menschen in allen möglichen Situationen. Das faszinierende Ergebnis: Das MRT zeigte etwas an - im Gehirn des toten Lachses regte sich was!

Darüber kann man jetzt lachen (wie kommt man dazu, einen toten Lachs in ein MRT zu stecken?) oder sich wundern (was passiert im Gehirn eines toten Lachses?), aber tatsächlich steckt hinter dieser absurden Entdeckung im Prinzip ein handfester Skandal, den Bennett und seine Kollegen mit diesem herzerfrischen Experiment aufdeckten. Wie Bennett nämlich in der Veröffentlichung seiner Entdeckung darlegte, waren alle Messungen, die er im Lachs-Bregen machte, reine zufällige messtechnische Fehler, die er mit einfachen Korrekturrechnungen schnell und einfach hätte verschwinden lassen können. Natürlich hatte das Gehirn des toten Laches das gemacht, was es machen sollte, nämlich nichts. Weil Bennett aber mit Absicht nicht korrigierte, zeigte das MRT Aktivität an. Nachgewiesenermaßen würden derartige Korrekturen aber in bis zu 40 Prozent aller Untersuchungen mit MRT nicht durchgeführt. Und Bennett fragte zurecht: Wenn eine solche nichtkorrigierte Messung im Gehirn eines toten Lachses Aktivitäten vorgaukelt, wie sehr können wir dann den anderen Untersuchungen trauen, auf die sich die Humanmedizin gerade am Kernspintomografen so gern stützt? Die Kommission des IG-Nobelpreises vergab den Preis daher für den Nachweis, dass Mediziner mit komplizierter Technik und einfacher Statistik überall Hirntätigkeit nachweisen können - sogar in totem Lachs.

Da hat man es: Man lacht erst, und dann denkt man nach. Und im Fall des Lachses gibt es sogar noch ein Abendessen hinterher... Alle Gewinner des Jahres 2012 - und auch die der Vorjahre - gibt es hier, allerdings auf englisch.

3 Kommentare:

burnedeyez hat gesagt…

Zwei Mal reichte nicht. Vielleicht liegt´s an der späten Stunde... auf jeden Fall hat die Einleitung gerade zur allgemeinen Erheiterung beigetragen ;-)

RoM hat gesagt…

Ich verfolge via Radio stets das Treiben in den Weiten der Wissenschaft. Zumeist anregend interessant. Dann und wann in der Tendenz öde, wenn speziel amerikanische Gelehrte mit einem pathetischen Furor von ihrer "bahnbrechenden" Arbeit berichten. Natürlich würden just diese Erkenntnisse das Universum auf immer verändern. Und ähnlicher Schmarren.
Geht natürlich einzig darum sich lukrativ zu verkaufen.
Amüsant wird es aber, wenn eine mehrjährige, seriöse Studie eindeutig beweisen konnte, daß zB Wasser einen relativ hohen Feuchtigkeitsgehalt vorweist. Heureka!

Unknown hat gesagt…

bringt einen echt zum grübeln...