Sonntag, 17. März 2013

Fantastische Einöde

Buzz Aldrin auf dem Mond, fotografiert von Neil Armstrong.
21. Juli 1969 (© NASA)
Im Dezember 1972, vor 40 Jahren und drei Monate, waren die bislang letzten Menschen auf dem Mond: Eugene Cernan und Harrison Schmitt. Nur etwas mehr als drei Jahre zuvor, im Juli 1969, machte Neil Armstrong seinen ersten Schritt auf den staubigen Boden des Mare Tranquillitatis und sagte seinen weltberühmten Satz. Es waren nicht einmal dreieinhalb Jahre, innerhalb derer sechs bemannte Mondmissionen von der NASA gestartet wurden. 12 Menschen wanderten über die Oberfläche unseres kosmischen Begleiters, die einzigen Menschen, die bislang einen anderen Himmelskörper als unsere Erde betreten haben. 40 Jahre soll das schon wieder her sein? Ein halbes Menschenleben?

Die Raumfahrt ist ein Hobby von mir, das ich nicht intensiv, aber hin und wieder doch mit Begeisterung pflege. Die Mondflüge der NASA haben es mir dabei besonders angetan, aus vielerlei Gründen. Eben weil es die ersten Flüge zu einem anderen Himmelskörper waren, aber auch, weil sie ein Symbol für eine Zeit sind, in der man noch nicht über Budgets und Sinnhaftigkeit derartiger Expeditionen diskutierte. Man tat es, weil es man es konnte und wollte (und natürlich auch, um den Klassenfeind eins auszuwischen...).


Darüberhinaus bewegt mich diese technische und wissenschaftliche Meisterleistung noch in einer ganz anderen Hinsicht. Sie beflügelt meine Fantasie in einer Weise, die von Jahr zu Jahr wächst. Klar, in den Science-Fiction-Romanen, die ich auch gerne lese, ist der Mond ein kaum noch wahrzunehmendes Nahziel; fremde Planeten, Galaxien, ja Universen locken mit ganz anderen Wundern. Der Mond erscheint da langweilig, praktisch vor der Haustür, nächste Nachbarschaft. Aber: Er ist die einzige andere Welt, die Menschen bislang betreten haben. Wissenschaftlicher Forscherdrang, Suche nach Erkenntnis, technologische Demonstration - das stand zwar im Vordergrund. Für mich bedeutet das aber inzwischen sehr viel mehr.

Eugene Cernan im Lunar Rover. 11. Dezember 1972 (© NASA)
Die 12 Astronauten, die auf dem Mond waren, haben jede Menge Fotos mit zur Erde gebracht. In allererster Linie sind das Dokumentationen ihrer Arbeit. Wer sich durch die Archive klickt, findet zahllose Bilder von Kratern, Mondsteine in allen Größen aus allen Blickwinkeln, im Gestein bohrende Astronauten und und und... es sind Bilder, mit denen Techniker und Wissenschaftler etwas anfangen können. Es gibt einige wenige so genannte "Touristenbilder", meist vor den "Stars und Stripes" salutierende Astronauten, zufällige Schnappschüsse wie Buzz Aldrins weltberühmtes Bild ganz oben (auch wenn es so aussieht: Es ist nicht gestellt) oder das links stehende, das Eugene Cernan von Apollo 17 am 11. Dezember 1972 beim Fahrtest des Lunar Rovers zeigt. Zufällig entstanden, dennoch weltberühmt und beinahe schon ikonenhaft. Und doch, bei allem Training, den die Astronauten hatten: Es waren nur Schnappschüsse wissenschaftliche Fotografie, die Technikern und Wissenschaftlern auf der Erde die Arbeit erleichtern sollte - mehr nicht. Und so habe ich das auch immer empfunden: Ich habe die Fotos betrachtet und nur die technische Leistung bewundert.

Dann allerdings ist etwas passiert, das diesen Blick grundlegend änderte. Beim Durchforsten der riesigen Bildarchive, die die NASA mittlerweile ins Internet gestellt hat, entdeckte ich einige Panoramen, die angefertigt wurden, um aus der Detailfotografie der Astronauten einen Gesamtüberblick zu machen. Und ich entdeckte einige "Schnappschüsse", die, sofern man den technischen und wissenschaftlichen Hintergrund mal außer Betracht lässt, einen Hauch davon vermitteln können, wie die Astronauten auf dem Mond empfunden haben können. Ich konnte das zuerst nicht einordnen, aber dann las ich einen Satz, den ein Astronaut auf dem Mond sprach. Die NASA-Raumfahrer haben ja viele interessante Sätze von sich gegeben, wenn sie das erste Mal einen Fuß auf die Oberfläche gesetzt haben. Neil Armstrong sprach von einem "kleinen Schritt für einen Menschen, einem riesigen Sprung für die Menschheit", Pete Conrad konterte mit "Das mag ja für Neil ein kleiner Schritt gewesen sein, für mich ist es ein großer". Alan Shepard stellte befriedigt fest: "Al ist auf der Oberfläche. Es war ein weiter Weg, aber wir sind hier", Dave Scott wurde pathetisch: "Der Mensch muss erforschen", wenn auch deutlich mehr als John Young: "Apollo 16 wird ihr (die Descartes-Hochfläche) Antlitz verändern". Und Eugene Cernan wiederum widmete seinen ersten Schritt "all denen, die dies möglich machten".

Es gibt aber einen anderen Satz, der passt denke ich viel besser, vor allem weil er eben nicht geplant, sondern grundehrlich war. Buzz Aldrin sagte ihn, als er die Mondoberfläche betrat. Seinen ersten Eindruck fasste er in zwei Worten zusammen: "Fantastische Einöde!" ("Magnificent Desolation").

Das war es. Das waren die Worte, die den Mond treffend beschreiben, von jemanden ausgesprochen, der dort war. Fortan sah ich die Bilder mit anderen Augen. Ich bemerkte, in welcher grandiosen, lebensfeindlichen, unerklärlichen, überwältigenden, fantastischen Umgebung sich diese Astronauten aufhielten. Allein, umgeben von Millionen von Quadratkilometern unwirtlicher Stein-, Geröll- und Staubwüste. Ich habe die Bilder, die ich fand, nach Exemplaren durchsucht, die diesen Eindruck widerspiegeln. Ich finde, so betrachtet sind diese Fotos und Panoramen beinahe schon Kunst. Und vielleicht stimmt ihr mir zu, wenn ich sage: Diese Bilder zeigen den Mond und seine erste Erforschung in seiner überwältigenden, atemberaubenden Schönheit...

Ich erlaube mir, euch einige der Bilder, die ich gefunden habe, einmal zu zeigen. Wenn ihr auf die Bilder klickt, öffnet sich die Originaldatei - zum noch genauer betrachten.

Mare Tranquillitatis - Meer der Ruhe. 20. Juli 1969 (© NASA)
Zweieinhalb Stunden nach der Landung der Mondlandefähre "Eagle", die am 20. Juli 1969 die ersten Menschen auf den Mond brachten, fotografierte Buzz Aldrin aus seinem Fenster die unendlich erscheinende Einöde des Mare Tranquillitatis. Der Landeplatz war so gewählt, dass die Astronauten ein weites, flaches Land ohne Berge und riesiges Geröll bei der allerersten Landung überhaupt vorfanden. In der Folge erklärt sich dadurch Buzz Aldrins Eindruck einer "Fantastischen Einöde"...

Die ersten Schritte. 21. Juli 1969 (© NASA)
Es gibt fast keine Bilder, die Neil Armstrong auf dem Mond zeigen. Der Grund ist der, dass laut Arbeitsplan er die meiste Zeit die Kamera bei sich trug. Zu tun hatten Armstrong und sein Kollege Buzz Aldrin dennoch genug. Zu Aldrins Aufgaben gehörte unter anderem der Aufbau der ersten wissenschaftlichen Ausrüstungen. Dabei entstand dieses Bild: Aldrin trägt einiges an Material von der Mondlandefähre weg auf der Suche nach einem günstigen Standort. Die ersten zaghaften Schritte in die riesige Einsamkeit des Mondes, auf der Armstrong und Aldrin zu diesem Zeitpunkt die einzigen lebenden Seelen sind. Ein kleiner Mensch, der hinausgeht in die große unbekannte Mondwüste... Sehr viel weiter ist Aldrin bei seinem "Mondspaziergang" nicht gekommen - aber was er erlebt hat dabei, kann man denke ich bei diesem Bild gut nachvollziehen.


Der erste Außenposten. 21. Juli 1969
Gegen Ende seines "Mondpsaziergangs" entfernte sich Armstrong etwa 60 Meter von der Mondlandefähre "Eagle", die weiteste Entfernung, die er oder Aldrin von der Fähre hatten. Am Rande des Little West Kraters machte er eine Panorama-Aufnahme der Landestelle. Den ersten menschlichen Außenposten in der Einöde des Mondes...

Unter sengender Sonne im Oceanus Procellarum. 19. November 1969 (© NASA)
Im November 1969 landeten Pete Conrad und Alan Bean bei der zweiten bemannten Mission auf dem Mond im Oceanus Procellarum. Ihnen gelang eine Punktlandung nahe der unbemannten Mondsonde Surveyor 3, die zwei Jahre zuvor weich gelandet war. Die Lebensfeindlichkeit ihrer Umgebung - eine unwirtliche Wüste unter der gnadenlosen Sonne - kommt in diesem Bild gut zum Audruck.

Bis fast hinter den Horizont. Fra Mauro, 6. Februar 1971 (© NASA, zusammengestellt von David L. Nathan)
Im Februar 1971 landeten Alan Shepard, der erste Amerikaner im All, und Edgar Mitchell im Fra-Mauro-Hochland. Zum ersten Mal hatten Astronauten so etwas wie ein Gefährt dabei: Einen Lastkarren, auf dem sie ihre Ausrüstung hinter sich her ziehen konnten. Weit wagten sie sich dennoch noch nicht weg von der Landefähre - sie blieb eigentlich immer in Sichtweite...


Wegmarken. 5. Februar 1971 (© NASA)
Im Mondsand vergehen Spuren erst in Millionen Jahren. Und so werden die Reifenspuren von Shepards und Mitchells Karren auch heute noch zuverlässig den Weg zum Landeort der Apollo-Astronauten im Frau-Mauro-Hochland weisen, so wie sie den Astronauten 1971 als zuverlässige Wegmarkierung dienten...


Gelandet in den Hadley Appeninen. 1. August 1971 (© NASA)
Unerwartet schief setzte David Scott die Mondlandefähre "Falcon" von Apollo 15 in den Hadley-Appenninen auf. Fast schon amüsiert registrierten er und sein Kollege Jim Irwin, dass die eine Seite beinahe 60 Zentimeter tiefer als die andere war. Dem weiteren Verlauf der Mission tat das kein Abbruch, aber die schräg stehende Fähre macht in der Einöde des Mondes ein seltsames Bild...


Am Rande der Hadley-Rille. 31. Juli 1971 (© NASA)
Die ersten Mondlander hielten sich überwiegend im flachen Gelände auf. Anders Apollo 15: Ein Ziel der Erforschung war die Hadley-Rinne, einer Schlucht, die sich 80 Kilometer entlang über den Mond zieht. Dave Scott parkt den Rover am Rande der Rille, die sich in den Mond-Boden gräbt.


Spuren in die Ferne. 31. Juli 1971 (© NASA)
Parallel zur Hadley-Rinne bewegen sich für ein paar Kilometer die Spuren des Lunar Rover, mit dem Dave Scott und Jim Irwin 1971 diesen Teil des Mondes untersuchten.


Erkundungen im fremden Gefilden. 21. April 1972 (© NASA)
Im April 1972 landeten John Young und Charlie Duke zur vorletzten Monderkundung im Descartes-Hochland. In hügeligem Gelände, von Kratern übersät, forschten die beiden Männer etwa 21 Stunden auf der Mondoberfläche. Auf diesem Bild scheint Charlie Duke eine kleine Pause bei der Erkundung des Flag-Kraters zu machen - und erscheint hier wirklich wie ein Erkunder auf einem fremden Planeten...

Ein treuer Gefährte. 22. April 1972 (© NASA)
Fast sieht es so aus, würde John Young den Rover anschieben müssen. Das Bild täuscht: Die Fahrzeuge haben die Astronauten sicher und zuverlässig über den Mond gefahren. Es gab nur eine Ausnahme: Sowohl bei Apollo 16 als auch bei Apollo 17 brach ein Schmutzfänger ab - und die Apollo 17-Astronauten mussten ihn mit ihren Mondkarten wieder reparieren...


Ein Stückchen Heimat. 23. April 1972 (© NASA)
Auch wenn die Apollo-Astronauten mit ihren Lunar Rovern bis zu 30 Kilometer und mehr zurück legten - aus Sicherheitsgründen entfernten sie sich nur so weit von der Landefähre, dass sie diese im Notfall auch noch zu Fuß hätten erreichen können. Es muss trotzdem ein tröstlicher Anblick gewesen sein, wenn die Astronauten nach ihren Ausflügen in die Umgebung bei ihrer Rückkehr die Mondlandefähre aus dem fahrenden Rover so wie hier Charlie Duke gesehen haben...


Ein letzter Parkplatz. 23. April 1972 (© NASA)
John Young parkt den Lunar Rover nach dem dritten und letzten Ausflug an der letzten Forschungsstation. Er steht heute noch so da...


Picknick am Wegesrand. 13. Dezember 1972 (© NASA)
Apollo 17, die letzte bemannte Mondmission, landete im Dezember 1972 in der vielleicht interessantesten Region aller Monderkundungen, im Taurus-Littrow-Tal, einer Einöde umrahmt von hohen Bergen. Eugene Cernan und Harrison Schmitt gelangen hier die aufregendsten Entdeckungen - und  sie machten spektakuläre Bilder, wie dieses, dass Harrison Schmitt am Lunar Rover inmitten der kargen Landschaft zeigt...


Felsen so alt wie die Zeit. 13. Dezember 1972 (© NASA)
Harrison Schmitt untersucht einen Felsen, genannt "Tracys Rock", zu Ehren der Tochter von Eugene Cernan. Taurus Littrow ist übersät von derartigen Felsen, neben denen die Menschen klein und unwirklich erscheinen. Doch sie gestatten dem erfahrenen Wissenschaftler einen tiefen Blick in die Urzeit des Sonnensystems und lassen die Gewalten erahnen, die einst auf dem Mond getobt haben. (übrigens: Im Originalbild ist oben rechts neben der Felsspitze ein kleiner gold-gelber Punkt zu erkennen - die Mondlandefähre, weit entfernt von den Astronauten...).


Ein Staubkorn in der Unendlichkeit... 13. Dezember 1972 (© NASA)
 Kaum ein Bild macht einem die unendliche Einsamkeit des Mondes deutlicher als dieses hier. Ein einsamer Lunar Rover mitten im Nichts, weit entfernt von allem, was man kennt und liebt...


Am Krater. 12. Dezember 1972 (© NASA, zusammengestellt von Thomas Dahl)
Harrison Schmitt parkt den Rover am Rande des Shorty-Kraters. Für mich eines der spannendsten und aufregendstens Bilder - nur hier wird die Größe der Krater wirklich deutlich. Der Mensch erscheint unbedeutend neben dieser klaffenden Narbe in der Mondoberfläche - und doch hat diese Wunde sogar Farben in die ansonsten graue Einöde des Mondes gebracht..


Eine wahre Mondlandschaft. 12. Dezember 1972 (© NASA)

Wie kaum ein anderes Bild zeigt dieses die Fremdartigkeit des Mondes. Harrison Schmitt bewegt sich nahe des Camelot-Kraters durch eine wahre Mondlandschaft: Bizarre Felsformationen sind weit verstreut im Gelände und lassen die Gegend wie aus einer fremden Welt erscheinen. Hier zeigt sich der Mond so fremdartig und außerirdisch wie kaum zuvor...


Zurück zur Heimat. 13. Dezember 1972 (© NASA)

Am Ende des letzten Mondspaziergangs fotografierte Eugene Cernan die Erde, die über der Mondlandefähre Challenger am Mondhimmel steht. So klein erscheint sie hier... und ist doch die Heimat der Mondlandeastronauten, die nach ihren kurzen Ausflügen den Mond wieder verlassen und ihn in seiner ewigen Einsamkeit zurückgelassen haben...

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