Montag, 3. Juni 2013

Die Macht der Zahlen

Im Rahmen meiner Weiterbildung lerne ich gerade etwas durchaus Interessantes, zugleich aber auch sehr Schweres und Kompliziertes: Kommunales Haushaltswesen. Also was Kommunen mit dem Geld machen, das ihnen zur Verfügung steht. Dazu lerne ich nicht nur die Gesetze, die damit in Zusammenhang stehen, sondern auch einige Grundlagen, die an sich jeder gute Kaufmann aus dem Effeff beherrschen sollte, aber auch, wie das in einer öffentlichen Verwaltung umgelegt wird.

Das ist nicht ganz einfach, vorsichtig ausgedrückt.

Beginnend mit der Ermittlung der fixen und variablen Kosten von Anlagen, Anschaffungen, Einrichtungen und Dienstleistungen unter Einbeziehung von Abschreibungen, Sachgemeinkosten, kalkulatorischen Zinsen und kritischen Mengen, weitergehend über die Beachtung von Arbeitsplatzkosten und so weiter und so fort, Kostenvergleichsrechnungen und Nutzwertanalysen bis hin zu Kostenstellenberechnungen. Das Ergebnis dieses Zahlenmarathons ist eine Summe, wie viel eine bestimmte Leistung einer Kommune - sei das nun der Betrieb eines Museums, eine Kopie oder der Einsatz einer Kettensäge in einem Forstbetrieb - exakt kostet.

Und das wiederum führt dazu, dass man Gebühren berechnen kann (was dann nun komischerweise gar nicht mehr schwer ist). Das Spannende daran ist, dass ich nun nachvollziehen kann, wie manch krude Zahl in Gebührenordnungen tatsächlich zustande kommt.

Zugegebenermaßen ist das mitunter eine ziemlich schwierige Rechnerei. Und obwohl ich meiner Meinung nach eine recht schnelle Auffassungsgabe habe, fällt es mir hier sehr schwer, die Sache logisch zu verstehen. Schuld ist eine komische Eigenart unseres Dozenten, die zudem dazu führte, dass ich Finanzwirtschaftler - ob nun kommunal oder in der freien Wirtschaft - in einem anderen Licht sehe. Und zwar keinem sehr guten.

Um es vorweg zu nehmen: Ich finde den Dozenten sehr gut. Er erklärt es alles ausführlich, wenngleich recht schnell, und geht auch auf uns ein. Aber er hat eine Eigenart, die seinen Unterricht meiner Meinung nach erschwert: Er ist ein Excel-Freak.

Nun bietet sich ja Excel für solche Berechnungen, bei denen manchmal sechs oder mehr Spalten über 15 Zeilen oder so kreuz und quer aufeinander aufbauen, geradezu an. Wenn man Excel beherrscht, kann man sehr schnell die Formeln zwischen den Feldern hin und her aufbauen, kopieren, erweitern und noch mehr. Leider tut der Dozent genau das: In Sekundenschnelle hat er C4 mit D9 multipliziert, damit die Summe über D11 gebildet, dem aus E3 ermittelten Prozentsatz zugeordnet und so weiter - und wir haben schon Probleme damit zu verstehen, wann wir nun Z(ang)=EKQ*Z(habe)+FKQ*Z(soll) anwenden sollen und ob sich das nun hinter RUNDEN(B25/E3;2) versteckt oder ob das doch die AfA ist...

Dazu kommt aber noch etwas Irritierendes. Excel bietet zwei für die Darstellung recht interessante Optionen an. Zum einen rundet das Programm auf Wunsch automatisch auf eine vorher festgelegte Stellenzahl, zum anderen lässt sich einstellen, wie viele Stellen angezeigt werden sollen. Das tut der Dozent ausgiebig, und tatsächlich sehen die Zahlen ordentlicher aus als krumme Komma-Ungeheuer. Was ich jedoch nicht genau weiß, ist die Frage, ob und wann Excel unabhängig von der Anzeige in der Tabelle die exakten ungerundeten Zahlen mit wer-weiß-wie-vielen Nachkommastellen im Hintergrund weiter mit sich herumschleppt und damit munter rechnet. Dabei kommen nämlich seltsame Ergebnisse raus. Zum einen führte es dazu, dass eine Zahlenkolonne auf dem Bildschirm vereinfacht gesagt so aussah: "3 + 5 = 9" (hinter jeder einzelnen Zahl steckte eine längere Berechnung, bei der eben mal gerundet, mal Stellen verborgen wurden). Zum anderen unterschieden sich die Summen aus der Excel-Tabelle von meinen mit dem Taschenrechner auf zwei Nachkommastellen genau errechneten Summen um mitunter schon erwähnenswerte Zahlen - jedenfalls in meinen Augen.

Was mich daran irritiert, ist nun folgendes: Zum einen meint unser Dozent, dass die Abweichungen zwischen unseren Rechnungen und seinen nicht so ins Gewicht fallen, was man so interpretieren kann, dass wir gar keine genauen Ergebnisse bringen müssten, sondern "Näherungswerte" reichen. Das geht mir als einem technisch interessierten Menschen schon gegen den Strich. Bemerkenswerter war aber seine Aussage, dass derartige Rundungsabweichungen bei allen Kommunen, aber auch Firmen oder sogar Banken auftauchen und toleriert werden. "Bei großen Summen fällt die Abweichung nicht ins Gewicht und kann vernachlässigt werden", sagte er.

Seitdem habe ich die dumpfe Ahnung, dass man irgendwann mal feststellt, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise hat ihren Ausgangspunkt in irgendeiner Rundung in irgendeiner Excel-Tabelle ihren Anfang genommen...

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Ich denke, ich kann Dich beruhigen; die hin und her geschaukelten Finanzkrisen ("alternativlos") beruhen auf simpler Gier nach mehr, mehr, mehr. Gewissenlosigkeit als Zierorden auf der stinkenden Weste.

Die Erkenntnis Deines Dozenten über "vernachläßigbare Abweichungen" würde wohl der Statiker mit einem Kübel triefender Häme quittieren. Aber selbst aus meiner Schulzeit ist mir noch gewahr, daß ein Fehler sich zu jedem weiteren Fehler addiert.
Ist aber "nur" das Geld anderer...