Mittwoch, 1. April 2015

Die Geschichte des letzten Manns im Mond

In Posts wie diesem hier habe ich mich ja schon mal als Raumfahrt-Fan, speziell der Mondlandungen der Amerikaner, geoutet. Die Begeisterung ist längst über das rein Technische oder Wissenschaftliche dieser Unternehmung hinaus gegangen; mehr noch interessiert mich, was das für Menschen waren, die auf unserem Trabanten landeten, was sie dazu bewegte und was sie dabei erlebten. So habe ich mir inzwischen schon die eine und andere Astronauten-Biografie besorgt, und die beste, die ich bislang gelesen habe, ist die von Eugene Cernan namens "The Last Man on the Moon".

Zugegeben: Auf meiner Wunschliste stand diese Biografie nicht besonders weit oben. Ich begann mich erst für sie zu interessieren, als ich einige besondere Anekdoten über Cernan las. Wie die, dass er im Dezember 1972, kurz bevor er den Mond verließ, noch die Initialen seiner Tochter in den Mondsand ritzte (weswegen er in der Fernsehserie "Modern Family" als "coolster Dad der Welt" bezeichnet wurde). Oder dass er eigener Auskunft in seinem ganzen Leben nie mutiger war wie an dem Tag, als er Chefastronaut Deke Slayton widersprach (Slayton bot ihm einen "Beifahrer"-Platz bei einer Mondlandung an, aber Cernan lehnte ab - er wollte sein eigenes Kommando, und das bekam er auch mit viel Glück, obwohl die Anwärterliste sehr lang war). Vor allem aber begann er mich zu fesseln, als ich die Story las, wie er 1966 bei seinem ersten Raumflug beinahe im All starb, eine Geschichte, die heutzutage fast vergessen ist. Ich beschloss, mir die Biografie zu kaufen, und ich wurde nicht im Mindesten enttäuscht.

Nicht unbedingt minutiös, aber sehr ehrlich, oft witzig und vor allem leichtfüßig erzählt Cernan darin aus seinem Leben: Seiner Jugend in einem Vorort von Chicago; von seinem Großvater, dem er auf dessen Farm helfen musste, das Plumpsklo immer wieder in Ordnung zu bringen (eine "charakterbildende Arbeit", wie er selbst sagt); seinem Militärdienst als Angriffsbomberflieger auf einem Flugzeugträger; und wie er von einer Astronauten-Karriere träumte, sich aber für nicht qualifiziert genug hielt, weil er kein Testpilot war, und dann aber 1963 von der Navy selbst für die 3. Astronautengruppe vorgeschlagen wurde. Er erzählt von seinen Raumflügen: Gemini 9, wo er den berüchtigten "Spacewalk from Hell" ausführte, Apollo 10, der Mondlandungsgeneralprobe, nach der er sich öffentlich für einen Fluch entschuldigen musste, und schließlich Apollo 17, die letzte Mondlandung, die er kommandierte.

Gene Cernan.
Ebenso unterhaltsam - und oft auch sehr informativ - sind die Geschichten rund ums Programm und die anderen Astronauten. Wir erfahren, dass er sehr große Stücke von Neil Armstrong hielt, dafür fast nichts von Buzz Aldrin; wie er den extrem komplizierten Alan Shepard knackte; dass er Wissenschaftler im Programm nicht sehr mochte, aber den Flug mit Harrison Schmitt, einem Geologen, durchaus genoss; wie er und andere ihren Status als Astronauten erlebten und manchmal auch ausnutzten; und wie viele kleine Krater auf dem Mond von den Astronauten als Orientierung selbst benannt wurden, obwohl es die Wissenschaftler oft genug die Haare zu Berge stehen ließ (Cernan selbst benannte einen Krater nach seinem Vater "Poppie" und einen anderen nach dem Spitznamen seiner Tochter: "Punk").

Vor allem aber - und das hebt seine Biografie wohltuend von den anderen ab, die ich schon las - berichtet er sehr ehrlich von der Belastung, die sein immenses Arbeitspensum für sein Familienleben war. Auch Cernans Ehe scheiterte, obwohl er seine Frau Barbara und seine Tochter über alles liebte - aber er liebte auch seine Arbeit und spricht heute ehrlich von einem "Tunnelblick", den er damals hatte. An einer bewegenden Stelle gibt er zu, dass es, wenn man erst einmal einen Kindergeburtstag oder eine andere Gelegenheit verpasst hat, immer leichter wird, auch den nächsten zu verpassen, und dass ein fünfjähriges Kind das einfach nicht verstehen kann: "Und irgendwann versteht es die Frau auch nicht mehr." Diese Belastung ist auch an Gene Cernan und seinen Kollegen nicht spurlos vorbei gegangen - man muss sich nur mal Fotos von dem Mann aus dem Jahr 1966, als er das erste Mal flog, ansehen und mit denen seines letzten Fluges 1972 vergleichen.

Natürlich - auch das gehört zur Wahrheit dazu - ist Cernan als Elite-Flieger auch amerikanischer Patriot (Flugdirektor Gene Kranz nannte Cernan einmal "Captain America von der Navy"). Dass muss man im Hinterkopf behalten, wenn Cernan vom Wettlauf ins All gegen die "Sowjets" berichtet, der unbedingt gewonnen werden musste. Es hilft auf der anderen Seite aber auch, um nachzuvollziehen, wie diese Leute getickt haben.

Einen kleiner Nachteil: "The Last Man on the Moon" gibt es leider nicht auf Deutsch. Das macht aber nichts, denn es ist im Großen und Ganzen leicht verständlich geschrieben (auf allzuviel Techno-BlaBla verzichtet Cernan). Ich habe dieses Werk sehr genossen...

Der (bislang) letzte Mensch auf dem Mond

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